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Erhard Lutz, Leiter Softwareentwicklung bei ROVEMA, im Gespräch zu SERCOS III

"SERCOS III passt perfekt für Verpackungsmaschinen"

ROVEMA in Fernwald gehört zu den technologisch führenden Herstellern von Verpackungs-maschinen. Weltweit sind über 29.000 Verpackungsmaschinen von ROVEMA geliefert. Zu dem internationalen Kundenkreis zählen nahezu alle führenden Marken-artikelhersteller.

Erhard Lutz verantwortet als Leiter der Softwareentwicklung eine Schlüsselfunktion für die Automation der Verpackungsmaschinen. ROVEMA führte als erster Hersteller von Verpackungsmaschinen SERCOS III ein. SERCOS III zeigt gemäß der Marktuntersuchung "Ethernet und Safety-Ethernet 2010 bis 2012" unter den Ethernetprotokollen mit unter 10% Marktanteilen die dynamischste Entwicklung. Deshalb sprach Thomas Quest mit Erhard Lutz über die Erfahrungen mit diesem Ethernetprotokoll.

Erhard Lutz

Herr Lutz, wie ist es denn dazu gekommen, dass sich ROVEMA gerade für SERCOS III entschieden hat?

17. April 2012 - Wir setzen SERCOS III flächendeckend bereits seit 2008 ein. Zu dieser Zeit waren wir der erste Hersteller von Verpackungsmaschinen, der das tat. Diese Entscheidung haben wir uns wirklich nicht leicht gemacht. Zwölf bis fünfzehn Monate lang haben wir den Markt für Ethernet-protokolle intensiv geprüft. Dann konnten wir endlich eine Entscheidung treffen, nämlich SERCOS III ist für uns das optimale System.

 

Und heute, in einem Satz zusammengefasst, haben sich Ihre Erwartungen in SERCOS III bestätigt?

Ja, tatsächlich, wir sind mit SERCOS III sehr glücklich, unsere Erwartungen haben sich voll erfüllt, das Protokoll passt perfekt für Verpackungs-maschinen. Dazu konnten wir auch einen Teil beigetragen. In die Standardisierung des Protokolls konnte die Funktion kontinuierliche Messtaste integriert werden, die für Verpackungsmaschinen wichtig ist.

 

Wie sieht die Anwendung zu SERCOS III an Ihren Maschinen aus?

Wir produzieren Schlauchbeutelverpackungsmaschinen, Kartonierer, Sammelpacker und damit die ganze Bandbreite von Dosieren, Formen, Befüllen bis zur Endverpackung. Mit Hilfe definierter Profile und offener Standards konnten unsere Ingenieure nur innerhalb von acht Monaten das Realtime-Ethernet-System in die Maschinen integrieren. Dabei haben uns drei Partner unterstützt, Phoenix Contact im Steuerungsbereich, Automata für die Integration der Masteranschaltung und Bosch Rexroth im Antriebsbereich.

Worin liegt der Hauptvorteil von SERCOS III für Ihre Anwendungen?

Wir konnten Dinge realisieren, die uns Alleinstellungs-merkmale sichern. Unser Know-how konzentriert sich auf den Motion-Kern von Verpackungsmaschinen. Wir haben uns für eine zentrale Steuerungsarchitektur entschieden, dabei übernimmt unser Automatisierungssystem „P@ck-Control“ die vollständige Koordination der Achsen inklusive der Lageregelung. Alle Softwaremodule greifen auf einen zentralen Datenserver zu.

 

Wir haben als Alleinstellungsmerkmal eine sog. dynamische Grenzwertberechnung entwickelt. Ändert der Bediener einen Parameter an der Maschine, werden alle anderen Parameter der Maschine an diese Änderung automatisch und in Echtzeit angepasst. Jetzt sieht der Bediener am HMI sofort, welche Parameter in welchen Bandbreiten noch möglich sind und mit welchen Auswirkungen auf die Maschine wie z.B. Ausbringung usw. zu rechnen ist. Dabei sind nicht mehr mögliche Parameter bzw. Einstellbereiche von Parametern ausgeblendet. Damit ist eine falsche Eingabe durch den Bediener nicht mehr möglich, Fehlbedienung also ausgeschlossen.

 

Das ist ein Alleinstellungsmerkmal und das ließ sich auch mit der Einführung von SERCOS III für uns weiter ausbauen.

 

Ein weiterer Punkt ist der, dass die Anzahl der Achsen an den Verpackungsmaschinen immer weiter zunimmt. In naher Zukunft können wir damit rechnen, dass an unseren Verpackungs-maschinen 30 bis 35 Achsen eingesetzt werden. Mit SERCOS III können wir zur Zeit 75 Achsen in 1 ms synchronisieren. Sollten es einmal mehr werden, wird einfach über einen zweiten Ring mit weiteren 75 Achsen synchronisiert.

Dass Fehlbedienungen ausgeschlossen sind, ist sicherlich für den Endkunden ein starkes Argument. Gibt es darüber hinaus weitere Punkte, weshalb SERCOS III aus Sicht des Endkunden von Interesse ist?

 

Zunächst sagt der Endkunde nicht, ich will ProfiNet oder SERCOS III oder einen anderen Bus haben. Was große Endkunden immer wieder mal vorgeben, ist das Fabrikat der Steuerung bzw. Hardware. Wir haben standardmäßig eine eigenentwickelte IPC-Steuerung im Einsatz. Durch die Offenheit und Normung steht ROVEMA eine universelle Antriebs- und Automatisierungsschnittstelle zur Verfügung, die u.a. die problemlose Integration von Antrieben und Geräten der unterschiedlichsten Hersteller gewährleistet. Das ermöglicht einen hohen Grad an Flexibilität, auf die Kundenwünsche einzugehen.

 

Mit SERCOS III sind alle früheren EMV-Probleme nahezu weg, sie treten einfach nicht mehr auf. Der nicht zu unterschätzende geringere Verdrahtungsaufwand mit weniger Hardware-komponenten und die damit einhergehende geringere Störanfälligkeit einer Verpackungs-maschine sind weitere Kundenvorteile.

 

Unsere Schlauchbeutelverpackungsmaschinen bieten dem Kunden eine spezielle Siegeltechnik an. Dabei wird nicht mit konstanter Kraft gesiegelt, sondern die Kraft baut sich nach einem, zum Patent angemeldeten Verfahren auf. Das ermöglicht eine höhere Verpackungsqualität und damit Produktqualität.

 

Die Produktqualität wird auch dadurch gesteigert, dass die Herstellung der Siegelnaht so überwacht wird, dass im Prozess Produktteile im Siegelbereich in Echtzeit erkannt werden und zu sofortigen definierten Aktionen führen. Das reduziert den Ausschuss.

 

Durch die geschickte Architektur und hohe Geschwindigkeit von SERCOS III ist es uns möglich, schnelle Regelalgorithmen über die Steuerung zu realisieren, wie z.B. Lageregelung, Drehzahl- und Drehmomentvorsteuerungen, Zustandsregelungen. Die in SERCOS III perfekt implementierte kontinuierliche Messtastfunktion erlaubt uns die Realisierung von exakten Druckbildregelungen und dgl. Meiner Kenntnis nach gibt es das bei anderen Ethernetprotokollen so nicht.

 

Schließlich die Diagnose. In jeder Maschine gibt es ein Modem oder eine VPN Verbindung. Mittels Ferndiagnose können wir in die Maschine, in jedes Endgerät, in jeden Motor schauen. Beim Motor können wir Drehmoment, Wärme des Motors, effektives Drehmoment, Spitzendreh-moment und sogar den Energieverbrauch feststellen. Das erleichtert natürlich die Störungsbeseitigung beim Endkunden erheblich.

Wie kommen Sie bei Projektierung und Inbetriebnahme mit SERCOS III zurecht?

Die Inbetriebnahme der Maschinen ist mit SERCOS III leichter und schneller geworden. Ich habe schon erwähnt, dass die EMV-Probleme weg sind. Dann sind über SERCOS III alle Achsen integriert. So können wir bei der Inbetriebnahme mit reduziertem Drehmoment fahren und dadurch Schaden vermeiden. SERCOS III ist einfach unkompliziert.

 

Bei der Projektierung, also der Buskonfiguration, hatten wir anfangs Probleme, es gab noch keinen Buskonfigurator. Schließlich haben wir unsere eigene Lösung entwickelt und jetzt läuft es gut.

 

Mit Blick auf die Zukunft, was sollte an SERCOS III geändert bzw. verbessert werden?

Die Diagnose, die Busdiagnose, sollte für uns noch einfacher werden, evtl. müssen wir hier nochmals unsere Entwicklungspartner mit ins Boot nehmen. Ein anderer Punkt betrifft die Peripherie zu SERCOS III. Hier wünschte ich mir, dass es, neben des schon bereits vielfältigen Angebots, mehr Geräte mit Schnittstelle zu SERCOS III geben würde, also Frequenzumrichter, Sensoren, Drucker, Wägemodule, Kameras oder Module zur Formatverstellung. Solange diese Peripherie nicht vollständig am Markt angeboten wird, sind immer noch Anpassungen erforderlich.

 

Aus unserer Sicht passt SERCOS III perfekt zu Verpackungsmaschinen. Dabei nutzen wir nur die Standardparameter von SERCOS III, keine proprietären Parameter, denn sie sind für Verpackungsmaschinen völlig ausreichend. Diese Standardparameter sind alle offen gelegt, können übers Internet runter geladen werden, das ist Standard hoch 3, besser geht es nicht. Und im Gegensatz zu anderen Ethernet-Bussystemen gibt es auch nicht verschiedene Versionen von Sercos, sondern ein SERCOS III für alle Anwendungen.

 

Herr Lutz, vielen Dank für das Gespräch.

 

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