Marktuntersuchung zur Realisierung von Industrie 4.0
In welchen Entwicklungsstufen die Maschinenbauer Industrie 4.0 in der Vernetzung realisieren
150 repräsentativ ausgewählte Maschinenbauer haben dargelegt, welche Änderungen in der Vernetzung der Maschinen sie in Richtung Industrie 4.0 realisiert haben bzw. realisieren wollen. Daraus ist ein Leitfaden für die Praxis, für die Realisierung von Industrie 4.0 in der Maschinenautomation entstanden.
29. Juni 2016 - Elf maschinenbezogene Änderungen in der Maschinenautomation behandelt die Marktuntersuchung von Quest TechnoMarketing. Wir greifen in diesem Report die Vernetzung der Maschinen heraus. Dabei sind drei Gesichtspunkte wesentlich.
- Industrie 4.0 ist bekanntlich keine Komponente, es realisiert sich in einem Prozess. Deshalb unterteilt die Marktanalyse diesen Prozess in Entwicklungsstufen.
- Industrie 4.0 ist ein systemisches Projekt. Deshalb unterscheiden die Entwicklungsstufen die Änderungen nach ihrem Systemumfang: Änderungen im Sinne von Industrie 4.0 an vereinzelten Punkten der Maschinenautomation, an Subsystemen oder übergreifend an Systemen.
- Bei Industrie 4.0 steht gegenwärtig technologisch das cyber-physical system (CPS) im Vordergrund. Es bedeutet die vertikal und horizontal vernetzte und kommunikationsfähige Komponente/Subsystem/System. In diesem Sinne ist im Folgenden kurz und knapp von I4 Qualität die Rede.
Wie sehen nun die Änderungen der Maschinenbauer bei der Vernetzung in Richtung Industrie 4.0, also die I4 Qualität, aus? Die im Folgenden genannten Prozentzahlen beziehen sich auf die Maschinenbauer, die praktisch in Richtung Industrie 4.0 unterwegs sind.
Vernetzung in I4 Qualität vereinzelt realisiert bzw. soll realisiert werden
40% der Maschinenbauer ändern die Vernetzung im Sinne einer vereinzelten Realisierung von I4 Qualität. Das heißt konkret:
Zur vertikalen Vernetzung bis ins MES bzw. ERP stellt der Maschinenbauer Schnittstellen zur Verfügung. Horizontal hängt die Vernetzung der Maschine von ihrer Aufstellungsweise (Einzelmaschine, Teilsystem, Anlage) ab. Der Datenfluss stützt sich nicht auf einen separaten Maschinen-Server bzw. eine Cloud.
Änderungen bzw. Anwendungen der Maschinenbauer zu dieser Entwicklungsstufe sind z.B.:
- „Vertikale und horizontale Anbindung haben wir bereits. Die horizontale läuft über Profibus, seit einem Jahr auch vermehrt über ProfiNet und die vertikale über TCP/IP. Die Daten werden vorverarbeitet und weitergegeben.“ (Werkzeugmaschinen)
- „Daten werden vertikal bis ins ERP geliefert, wobei deren Auswertung Sache des Kunden ist. Umgekehrt kommen bei manchen Kunden über das ERP die Produktionsaufträge zusammen mit der Codierung.“ (Verpackungsmaschinen)
- „Die Vernetzung mit ERP beim Kunden ist ein Pilotprojekt. Wir sind sehr stark kundenabhängig. Wir wollen Daten über eine definierte Schnittstelle zur Verfügung stellen, damit diese im ERP genutzt werden können. Diese Informationen betreffen die Stückzahlen, die Wartung und Störungen im Betriebssystem.“ (Druck-/Papiermaschinen)
Vernetzung in I4 Qualität in Teilbereichen bzw. Subsystemen realisiert bzw. soll realisiert werden
Ein Fünftel der Maschinenbauer (19%) ist dabei, I4 Qualität in Teilbereichen bzw. Subsystemen zu realisieren. Das heißt konkret:
Die vertikale und horizontale Vernetzung ist mit einem Maschinen-Server (bzw. einer Cloud) verbunden, der umfassende und wesentliche Maschinenzustands- und Prozessdaten sowie Auswertungsmöglichkeiten zur Verfügung stellt.
Änderungen bzw. Anwendungen der Maschinenbauer zu dieser Entwicklungsstufe sind z.B.:
- „Die Daten werden zusammengefasst und mit dem Archivsystem verbunden. Sie melden an ERP und auch wieder zurück. OPC-UA ist dabei eine sehr intensiv genutzte Technik. Dagegen waren die Vorläufer von UA sehr kritisch.“ (Bau/Glas/Keramikmaschinen)
- „Wir sind in der Montage im Automobilbau schon recht weit fortgeschritten, sowohl was die horizontale wie auch die vertikale Vernetzung betrifft; dies machen wir schon seit Jahren. An jedem Werkstückträger ist ein Datenträger. Hier werden alle Daten, die Qualitätsdaten und Maschinendaten betreffen, aufgenommen, gespeichert und aufbereitet. Damit wird dem Kunden für die Rückverfolgung die Möglichkeit gewährleistet, entsprechende Schlüsse zu ziehen für die Auslastung der Anlage. Die meisten Kunden haben ihr eigenes MES und ihr Hostsystem; sonst können wir es dem Kunden in einem gewissen Umfang als MES bieten.“ (Robotik und Automation)
- „Die Vernetzung im neuen Anlagenkonzept berücksichtigt, dass man bis in 1,5 Jahren möglichst viele Devices digital angebunden haben will. Dazu ist jetzt die Topologie des Netzwerkes wie des jeweiligen Ports, an dem ein Device angebunden ist, gespeichert. Die Kopplung ins ERP überträgt Produktionsreports, Stillstandsgründe, abhängig davon, was der Kunde will.“ (Holzbearbeitungsmaschinen)
Vernetzung in I4 Qualität übergreifend realisiert bzw. soll realisiert werden
14% der Maschinenbauer realisieren I4 Qualität übergreifend, also als System. Das bedeutet konkret:
Die horizontale und vertikale Vernetzung wird über Datenauswertung hinaus für die Produktionssteuerung genutzt.
Änderungen bzw. Anwendungen der Maschinenbauer zu dieser Entwicklungsstufe sind z.B.:
- „Die Maschinen sind vertikal und horizontal vernetzt über Ethernet-Feldbus. Es geht vertikal in das eigene Leitsystem und dann in das MES. Es gibt eine hundertprozentige Datenverfolgung zu allen elektronischen und wertigen Mechanikteilen, die in der Maschine verbaut sind. Die Produktionsmaschine wird zur Messmaschine, die Daten erzeugt und kommuniziert.“ (Gummi/Kunststoffmaschinen)
- „Aus Sicht unserer Kunden sollen wir für I4 in Vorleistung gehen. Wir gehen einen anderen Weg. Wir bauen eine Brücke durch Software, die wir auf den Applikations- Server bringen. Hier bündeln wir die Informationen der Anlage und stellen sie den Kunden als Analysesystem zur Verfügung. Jede Komponente mit ihren Lebenszyklen und dem Typ wird über ProfiNet und über TCP/IP und UDP bis zur I/O-Ebene angebunden. Wir haben die Schnittstelle mit unserem Applikations-Server, der Kunde kann das in sein ERP, sei es SAP oder etwas anderes, integrieren. Mit diesem Vorhaben sind wir noch lange nicht fertig, etwas ist teilrealisiert und wird noch 1-2 Jahre dauern; je nachdem, was die Anforderungen sind, eine Sache wird früher, eine später realisiert werden.“ (Bau/Glas/Keramikmaschinen)
- „Von der Feldebene bis zur Steuerung einer Maschine, bis zur Produktionslinie und bis zur mehreren Produktionslinien besteht eine vertikale Vernetzung via OPC mit Anbindung an MES und ERP. Jede Maschine hat einen eigenen vertikal und horizontal kommunikationsfähigen Server. Die Produktionsaufträge kommen über das ERP. ERP ist in unserer Branche zu 100% SAP. SAP macht offenbar ein MES immer mehr überflüssig.“ (Verpackungsmaschinen)
Änderungen an der Vernetzung noch ohne I4 Qualität
23% der Maschinenbauer nehmen Änderungen an der Vernetzung vor, die noch keine I4 Qualität aufweisen. Solche Änderungen betreffen konkret:
Vertikale bzw. horizontale Vernetzung der Maschine bis zu Scada.
- „Aktuell arbeitet man daran, das System so transparent und einfach wie möglich zu machen, bietet dafür Fernwartungsmodule und Software-updates an, die wir von unserem Standort aus betreiben bei den Kunden weltweit, vorausgesetzt, die Anlage bietet diese Möglichkeit. Das betrifft alle Maschinen, die mit SPS betrieben werden. Dies wird als Option angeboten und wird hin und wieder bei großen Firmen für die Anbindung an Scada gefordert.“ (Nahrungsmittelmaschinen)
- „Wir arbeiten kontinuierlich daran, eigene Software zu entwickeln, für die Vernetzung nach oben.“ (Robotik und Automation)
- „Wir planen eine Normierung der Vernetzung entweder über OPC-UP oder dass die Daten normiert in Datenbanken abgelegt werden. Das Format dazu ist noch nicht festgelegt. Die Datenströme laufen bidirektional. Die Bereitstellung der Daten in den einzelnen Steuerungen sowie die Weitergabe an MES oder ERP ist noch nicht so sehr realisiert.“ (Fördertechnik)
Änderungen an der Vernetzung in Richtung Industrie 4.0 der am meisten verbreitete Ansatzpunkt der Maschinenbauer
Änderungen an der Vernetzung der Maschinen in Richtung Industrie 4.0 ist der am meisten verbreitete Ansatzpunkt der Maschinenbauer. 82% der Maschinenbauer, die in Richtung Industrie 4.0 praktisch unterwegs sind, setzen bei der Vernetzung an. Diese Maschinenbauer produzieren 88% der Maschinen.
Die Branchen des Maschinenbaus Fördertechnik, Robotik und Automation sowie Nahrungsmittelmaschinen sind überdurchschnittlich aktiv bei Änderungen der Vernetzung, Werkzeugmaschinen und Holzbearbeitungsmaschinen hingegen sehen nur in unterdurchschnittlichem Umfang einen Anlass für Änderungen.