Seltene Erden und Automatisierungstechnik - Teil 4
Die Rolle von China bei Seltenen Erden
China ist weniger das Hauptproblem als vielmehr der Hauptkonkurrent
Die ganzen Spannungen zu Seltenen Erden werden in den Medien im Allgemeinen darauf reduziert, dass China als 95%-Lieferant mit seinen Exportquoten und Exportdrosselungen den Hahn zudrehe. Damit liefern die Medien die Begleitmusik für die Klage, die die USA, Japan und die EU im März 2012 gegen China über „unfairen Wettbewerb“ vor der WTO eingereicht haben.1
Was ist in China dafür der Hintergrund? Welchen Anteil hat China an den Spannungen mit Seltenen Erden?
USA zunächst Weltmarktführer in der Produktion von Seltenen Erden
Von den 1950er bis zu den 1980er Jahren waren die USA weltführend in der Produktion von Seltenen Erden vor allem durch die Lagerstätte am Mountain Pass in Kalifornien.2 Sie deckte zu 100% den Bedarf der USA und lieferte ein Drittel der weltweiten Exporte.3 Im Jahr 2002 aber schließen die USA diese ihre einzige Produktionsstätte „vor allem als ein Ergebnis von Niedrigpreis-Konkurrenz durch China“.4
In China hatten grundlegende Veränderungen stattgefunden.
Staatskapitalismus in China nach Mao Zedong leitet Dominanzstreben bei Seltenen Erden ein
1976 starb Mao Zedong, die Führungsperson des sozialistischen Chinas. Kurz nach seinem Tod erfolgte ein politischer Richtungswechsel, den Wikipedia folgendermaßen andeutet: „Die Ablösung Maos durch Deng Xiaoping nach 1976 führte im Rahmen der Reform- und Öffnungspolitik zu einer wesentlichen Abkehr von Maos Prinzipien in China selbst.“5
Unter dem Einfluss von Deng Xiaoping wurde der Sozialismus durch eine Art Staatskapitalismus ersetzt, ganz ähnlich wie damals in der Sowjetunion unter Chruschtschow seit Mitte der 1950er Jahre. Das in China herausgegebene „China Internet Information Center CIIC“ bezeichnet diesen grundlegenden Richtungswechsel als „Übergang von Planwirtschaft hin zur Marktwirtschaft“.6 Seitdem sind „die Betriebe für Gewinne und Verluste selbst verantwortlich. Die Preise der meisten Waren und Dienstleistungen werden von den Betrieben nach Marktbedingungen festgesetzt.“7
Die Politik nach Mao Zedong richtete China auf ein forciertes Wirtschaftswachstum aus, das wiederum steigenden Eigenbedarf an Seltenen Erden zur Folge hatte. Die chinesische Regierung sorgte dafür, dass die Produktion von Seltenen Erden mit jährlichen Wachstumsraten von 40%8 massiv gesteigert werden konnte.
Diese Steigerung übertraf den wachsenden Eigenbedarf an Seltenen Erden, der Überschuss wurde zu niedrigen Preisen weltweit exportiert. 2002 warfen die USA das Handtuch, der Abbau war bei diesen niedrigen Preisen nicht mehr gewinnträchtig, die Mine am Mountain Pass wurde, wie erwähnt, stillgelegt.
Im Lauf der Zeit ergänzte die chinesische Regierung den Warenexport von Seltenen Erden durch den Kapitalexport, also durch Direktinvestitionen in Förderstätten außerhalb Chinas. So stellte die Deutsche Rohstoffagentur 2009 fest: „China versucht, sich an allen wichtigen SE-Projekten außerhalb des eigenen Landes zu beteiligen, um so weiterhin die Versorgung an SE weltweit zu kontrollieren“.9
Weltweite Exportoffensive zu niedrigen Preisen, Steigerung des Weltmarktanteils auf 90% und höher (derzeit 95% bis 97%), Kapitalexport zur Kontrolle weiterer Förderstätten außerhalb des eigenen Landes, eine solche Politik zielt auf eine weltmarktbeherrschende Stellung.
Ein solches Streben nach weltmarktbeherrschenden Positionen sehen wir auch in anderen Ländern bei Produkten wie Öl, Chemie, Pharma, Stahl, Getreidehandel, Automobilen, Computer- und Elektroprodukten, Telekommunikation u.a. China fügt dieser Aufzählung jetzt die Seltenen Erden hinzu und wird damit zu einem Hauptkonkurrenten für all die Unternehmen und Länder, die Seltene Erden einsetzen.
China strebt stabilere Grundlage für weltmarktbeherrschende Stellung bei Seltenen Erden an
2 Jahre nach der Schließung der Förderstätten in den USA erlässt China Exportquoten für die Ausfuhr an Seltenen Erden. Diese Exportquoten wurden seit 2006 in kleinen Schritten von 4% bis 6%, 2009 um 12% und 2010 um 40% reduziert. Seit 2010 ermöglicht die Exportquote nur weniger als die Hälfte des Exportvolumens des Jahres 2004.10
Hintergrund ist das Bestreben der chinesischen Regierung, die Produktion von Seltenen Erden vor allem durch zwei Maßnahmen auf eine stabilere Grundlage zu stellen.
Die erste Maßnahme will die Seltene Erden Industrie konsolidieren. Diese ist nämlich derzeit in China noch „hoch fragmentiert“.11 Es gibt viele kleinere Produzenten, ein Teil von ihnen arbeitet ohne Gewerbegenehmigung, also illegal. Man schätzt den Anteil dieser „nicht offiziellen Produktion“ auf 15% der Gesamtproduktion an Seltenen Erden.12 Das Ziel ist, drei marktbeherrschende, staatlich kontrollierte Großunternehmen zu schaffen mit dem bisher größten Produzenten Baotou Steel Rare Earth Hi-Tech Co als Kern.
Die zweite Maßnahme zielt auf mehr Umweltschutz. Dem sollen verbindliche Richtlinien für den Umweltschutz dienen, die bei der Produktion von Seltenen Erden einzuhalten sind. Produktionslizenzen sollen an die Einhaltung dieser Richtlinien geknüpft werden.13
Diese Umstrukturierungen sind ganz bewusst von Produktionsrückgängen begleitet wie der Generalsekretär der chinesischen Gesellschaft für Seltene Erden, Lin Donglu, erläutert: „Die Produktion von Seltenen Erden wird definitiv vermindert werden“.14 Mit diesen Produktionsrückgängen wird wiederum die Reduzierung von Exportquoten begründet.
Mit einer Verknappung des Angebots an Seltenen Erden sind höhere Preise verbunden. Die Preisexplosionen des Jahres 2011 waren Spekulationen, seitdem sind die Preise gesunken, aber immer noch deutlich höher als vor 2011, wie die These 5 aufzeigt.
Der Generalsekretär Lin Donglu deutet das chinesische Interesse an höheren Preisen an, wenn er sagt: „Die Preise von Gold, Öl und anderen Rohstoffen sind alle hoch. Warum sollten die Kosten von Seltenen Erden nicht ebenfalls hoch sein?“15
Nun, höhere Preise für Seltene Erden, soweit sie die Kosten des Umweltschutzes widerspiegeln, sind berechtigt. Von höheren Preisen aber, die aus der weltmarktbeherrschenden Position resultieren, profitieren nur die Nutznießer dieser Position. Wenn der Nettogewinn von Baotou Steel Rare Earth Hi-Tech Co, Chinas größtem Produzenten an Seltenen Erden mit 40% Produktionsanteil,16 sich im Jahr 2011 im Vergleich zum Vorjahr auf $552 Mio. vervierfachte,17 so kann man ja nachprüfen, inwieweit für den Umweltschutz investiert wird. Das gleiche gilt z.B. für BP, das für die bisher größte Öl-Umweltkatastrophe vor zwei Jahren im Golf von Mexiko verantwortlich ist und dessen Nettogewinn 2011 $23,9 Milliarden betrug, das sind also 2.000 Millionen US-Dollar pro Monat.18
Höhere Preise von Seltenen Erden aus China teilen sich schließlich auf in höhere Exportpreise und niedrigere Inlandspreise. Damit versucht die chinesische Regierung auch die weitere Ansiedlung von ausländischen Produktionsstätten in China zu fördern.19
In all dieser Verbindung verschiedener Einflussfaktoren bleibt die Nutzung und Stabilisierung der weltmarktbeherrschenden Position an Seltenen Erden im Interesse der chinesischen Politik grundlegend.
Teil 1: Seltene Erden: Gewinnung und strukturelle Probleme
Teil 2: Angebot und Nachfrage zu Seltenen Erden bis 2016
Teil 3: Preisprobleme bei Seltenen Erden
Teil 4: Die Rolle von China bei Seltenen Erden
[1] Fight against China on rare earths. In: Financial Times, 13. März 2012
[2] Levkowitz, L., Beauchamp-Mustafaga, N.: China’s Rare Earths Industry and its Role in the International Market. In: U.S.-China Economic and Security Review Commission Staff Backgrounder, S. 2
[3] Ebenda, S. 2
[4] Ebenda
[5] Wikipedia: Mao Zedong
[6] Von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft. In: Informationen aus China über China, China Internet Information Center (CIIC) www.china.org.cn
[7] Ebenda
[8] Levkowitz, L., Beauchamp-Mustafaga, N.: S. 2
[9] Liedtke, Maren, Elsner, Harald: Seltene Erden. In: Commodity Top News, Nr. 31, S. 5
[10] DERA informiert: Welthandel bei Seltenen Erden eingeschränkt. In: Pressemitteilung vom 14.3.2012
[11] Hook, Leslie: Rare earths: high prices boost Baotou. In: Financial Times, 27. März 2012
[12] D.J. Kingsnorth, Meeting the Challenges of rare Earths Supply in the Next Decade, Vortrag im Rahmen der The Hague Centre for Strategic Studies, 1. Dezember 2010
[13] Hook, Leslie: Chinese rare earth metals prices soar. In: Financial Times, 26. Mai 2011
[14] Ebenda
[15] zitiert nach Hook, Leslie: Chinese rare earth metals prices soar. In: Financial Times 26. Mai 2011
[16] Hook, Leslie: Largest rare earths producer halts output. In: Financial Times 18. Oktober 2011
[17] Hook, Leslie: Rare earths: high prices boost Baotou. In: Financial Times 27. März 2012
[18] BP sieht sich nach Milliardengewinn wieder in der Spur, 07.02.2012, www.news.de
[19] Bradsher, Keith: China Tightens Grip on rare Minerals. In: The New York Times 1. September 2009